STILLE MOMENTE
STILLE MOMENTE
CD-Produktion mit Kirchenmusikstudierenden
Zum dritten Mal erscheint im Rahmen der theologischen Nachwuchsarbeit ein Jahreskalender, in dem junge Erwachsene über sich und ihren Glauben schreiben. Es sind Jugendliche, die überlegen, Theologie zu studieren oder es bereits tun. In Zusammenarbeit mit Pastor Mathis Burfien und dem Lyriker und Schriftsteller Heinz Kattner haben sie sich für 2019 verschiedenen Facetten der Stille gewidmet und Texte verfasst, die auf eindrucksvolle Weise von beglückenden und befremdlichen Stille-Erfahrungen in ihrem Leben erzählen.
In diesem Jahr wird der Kalender zum ersten Mal klangvoll erweitert: Dafür haben wir Musikstudierende verschiedener Hochschulen eingeladen, sich mit den Texten künstlerisch auseinander zu setzen. Entstanden sind Kompositionen und Improvisationen, die den vielfältigen Facetten der Stille musikalisch begegnen, sie kommentieren und interpretieren.
Wir danken allen Mitwirkenden für die inspirierende Musik, den Hochschulen für die gute Zusammenarbeit und den Kirchengemeinden für die herzliche Gastfreundschaft.
Der Kalender mit CD kostet 5 EUR und ist erhältlich unter www.material‑e.de
Online kann man ihn hier durchblättern.
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01 TOSENDE STILLE — Lennart Faustmann
zum gleichnamigen Text von Madeleine Landré
„Draußen ist es still, in mir ist es laut.“ – Der Kontrast zwischen Innen und Außen und die unterschiedlichen Stimmungen in der Gedankenreise von Madeleine Landré haben mich fasziniert. Sie verweisen auf das Spannungsverhältnis zwischen unserem irdischen Leben und der biblischen Botschaft. In der Improvisation gehe ich den vielfältigen Farben und Impressionen des Textes nach und versuche die beschriebenen Räume über den Klang zu erschließen. Text und Musik sind dabei eng miteinander verschränkt und treten in einen lebhaften Dialog. Mit Glockenklängen endet das Stück. Sie laden ein, sich nochmal dem Bibelzitat aus dem Matthäus-Evangelium „Wes du bedarfst, wird Gott dir geben“ zuzuwenden und den Bezug zur Weihnachts- und Ostergeschichte herzustellen.
Improvisation: Lennart Faustmann (Hochschule für Kirchenmusik Tübingen)
Sprecherin: Madeleine Landré / Orgel: Lennart Faustmann
02 WIR GLAUBEN ALL AN EINEN GOTT — Christian König
zum Text „Umgeblickt“ von Rosa Leuze
“Wir glauben all an einen Gott” ist ein gesungenes Glaubensbekenntnis. Im ersten Vers wird der Glaube an Gott thematisiert, der zweite Vers erzählt von Gottes Sohn und im dritten Vers geht es um den heiligen Geist. Das Reformationsjubiläum 2017 war für mich Anlass, das Stück zu bearbeiten und in unserer heutigen Tonsprache auszudrücken. Der Text hat in den letzten 500 Jahren nichts von seiner Aussagekraft verloren. Es ist ein reines Instrumentalstück für Tentett (zehnköpfige Band-Besetzung), enthält aber Motive aus dem Original-Lied. Die Grundstimmung wird durch die Kirchentonart dorisch geprägt, die ich von Luthers Choral übernommen habe. Ich fühle mich der Tradition verpflichtet, alte christliche Texte in meiner heutigen Klangwelt darzustellen, denn dies haben bereits die Meister der Barockmusik, der Klassik und der Romantik getan. Kirchenmusik entwickelt sich immer weiter, geistliche Themen bleiben aber aktuell.
Komposition: Christian König (Hochschule für Kirchenmusik Tübingen)
Musik: Musiker*innen der Tobias Becker Big Band und der Hochschule für Kirchenmusik Tübingen
03 KONZERTABEND — Benjamin Gruchow
zum gleichnamigen Text von Jacob Kröger
Die vorliegende Orgelimprovisation skizziert das Erlebnis eines klassischen Konzertabends: Dabei wird nicht nur ein dreisätziges Konzertstück im “klassisch-romantischen Stil” vertont, auch die stillen Momente zwischen diesen Sätzen werden musikalisch interpretiert und sind Teil der Improvisation. So wie die Konzertbesucher*innen jeden dieser stillen Momente anders wahrnehmen, werden sie hier als zwei individuelle Gedankengänge in modern-zeitgenössischer Musiksprache dargestellt und vom traditionellen Konzertprogramm umrahmt. Für das Erfinden der hier zu hörenden musikalischen Themen und Strukturen brauchte es die Inspiration einer großen Orgel mit reichhaltigen Klängen. So entstand ein Konzertabend in fünf kleinen Akten.
Improvisation: Benjamin Gruchow (Hochschule für Kirchenmusik Herford-Witten)
04 HAGIA SOPHIA — Maximilian Guth
zum Text „Stille Momente“ von Julia Schönbeck
Vorbild für den Titel „Hagia sophia“ ist das gleichnamige Gebäude im europäischen Teil Istanbuls. Die ehemals byzantinische Kirche wurde nach orthodoxer und katholischer Phase schließlich zu einer Moschee. Mittlerweile ist die Hagia Sophia ein Museum und vereinigt Elemente der verschiedenen Religionen in sich. Die Komposition verbindet Passagen aus Johannes Ockeghems Requiem im Posaunensatz mit einem solistischen Fagott, das nach der beginnenden originalen Rezitation aus Einzelklängen Motive entwickelt, die an Muezzingesang erinnern. Flankiert wird der Dialog durch die arabische Oud, die persische Santur und eine Udu Drum.
Komposition: Maximilian Guth (Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin)
Musik: Asambura-Ensemble & Emir Kutay Koçak
05 KALEIDOSKOP — Isabelle Grupe
zum Text „Ein Augenschlag“ von Victoria Gorbatenko
Am Anfang stand auch hier das Wort — nämlich in Gedichtform. Ich habe es als Ganzes und manchmal in Teilen auf mich wirken lassen und dann das Bild oder Gefühl des Gedichtes auf der Orgel nachgefühlt. Manchmal war es einfach ein vages Gefühl von Wärme, manchmal blieb ich an einzelnen Worten hängen. “Glitzern”, “Wolkenbilder”, “Farbenspiel” – ausdrucksvolle Worte machen es leicht, Bilder musikalisch nachzuempfinden. Begeistert haben mich dabei einerseits die Herausforderung, die richtigen Klangfarben für das musikalische Gedicht zu finden und andererseits die Chance, meine ganz eigene musikalische Sprache zu suchen.
Improvisation: Isabelle Grupe (Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover)
06 WAHRHEIT — Jan Meyer
zum gleichnamigen Text von Svenja Gabriel
Das Wort Wahrheit besitzt im hebräischen denselben Wortstamm wie Glaube und Vertrauen. Wahrheit ist wie Glaube und Vertrauen immer auch in Beziehung zu denken. Diesen Akzent setzt auch der vertonte Text, der in seiner Schlichtheit ein Pendant in der Vertonung findet: Fast wie ein Sprechgesang im ersten Teil, schwelgt der zweite Teil im Moment — denn alles hat seine Zeit!
Komposition & Musik: Jan Meyer (Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover)
07 EINEN ORT ZU FINDEN — József Opicz
zum Text „Kleine Momente“ von Carina Meise
Meine Idee war, einen unaufgelösten Akkord wie einen roten Faden durch die ganze Komposition zu ziehen. Er baut sich aus zwei aufeinanderbauenden Quarten auf, die mit ihrem Klang einen konturlosen Eindruck hervorrufen. Eine Beruhigung findet dieser unsichere Klang nur ganz am Ende des Stückes, im letzten Akkord, wo ein zusätzlicher Ton den Klang zur Konsonanz bringt. Die Dramaturgie korrespondiert mit dem Text, in dem sich zunächst kein Ort für die Stille findet, erst ganz am Ende des Gedichtes. Gottes Stimme kommt mit massiver Lautstärke und versucht, wie ein Blitzschlag die Gedanken zu wecken. Das strahlende Licht wird durch einen immer weiter wachsenden Akkordaufbau dargestellt. “Tief innen” war auch das Schlusswort, das ich in der Musik gerne darstellen wollte. Einmal können die Zuhörer ein kurzes Zitat aus der gregorianischen Melodie des Vaterunsers erkennen.
Improvisation: József Opicz (Hochschule für Kirchenmusik Herford-Witten)
08 KLANGVOLL — Tim Gärtner
zum gleichnamigen Text von Lasse Joost
“Stille ringt mit dem Rauschen.” Musikalisch übersetzt sind es zwei Quinten, die miteinander ringen, ihren eigenen Raum suchen, aber nicht voneinander lassen können, immerzu und in verschiedener Gestalt – ein wahrer Aufruhr. Es ist ein Klangteppich, farbig, emotional, manchmal deutlich, manchmal sehr verschmelzend und verwirrend. Die einsetzende Melodie und der Bass bauen Mauern und ein Gewölbe drumherum und geben Sicherheit. So endet alles in Klarheit und Gradlinigkeit. Eine Besonderheit dieser Komposition ist das durchgehende Tempo. Vom ersten bis zum letzten Takt sind es pro Takt exakt 16 Klangereignisse bei gleichbleibendem Tempo. So kommt man auf 432 Anschläge pro Minute. Dadurch ist dieses Stück so bezwingend in seiner Fortschreitung, einerseits unnachgiebig, aber auch Sicherheit gebend. Wie bei anderen Kompositionen war es auch hier die Herausforderung, in der Anlage der Systematik eine Klangsprache zu entwickeln, die dem Textausdruck absolut nahe kommt, gleichzeitig aber auch genug Raum lässt zur Entfaltung und Weiterentwicklung.
Komposition & Musik: Tim Gärtner (Hochschule für Kirchenmusik Herford-Witten
09 WHEREEVER I STAND — Andreas Reif
zum Text „Momente“ von Sascha Weinkauf
Das Lied ist in der Negev-Wüste in Israel entstanden. In diesem Lied kommt zum Ausdruck, was ich besonders in der Wüste erfahren durfte: Die Nähe und die Kraft Gottes ist bei uns, auch in den Momenten, in der wir sie nicht spüren. Denn egal, wo ich auch stehen mag. Gott zeigt mir, dass ich die Situation meistern kann. Dazu gibt er seine Kraft und seinen Segen. Darauf dürfen wir uns verlassen. Wir dürfen uns auf Gott verlassen.
Komposition: Andreas Reif (Hochschule für Kirchenmusik Tübingen)
Musik: The Gospel District
10 SOUND OF SILENCE — Danny Sebastian Neumann
zum gleichnamigenText von Sarah Hilmer
Wie man bei manch gutem Roman zwischen den Zeilen lesen muss, geht es hier um das Hören zwischen den Tönen. Dort, in spannungsvollen Pausen und natürlich am Ende des Stücks lässt die Stille Raum für Gedanken, Emotionen und eine ganz eigene Dynamik. Und genau darin liegt die Herausforderung dieser Improvisation: Wie inszeniert man als Musiker eine Pause möglichst wirkungsvoll, sodass sie von der umgebenden Musik nicht überdeckt oder letztere belanglos wird? Das Stück lädt ein, sich auf eine musikalische Entdeckungsreise zu begeben und dem Klang der Stille zu lauschen.
Improvisation: Danny Sebastian Neumann (Hochschule für Kirchenmusik Herford-Witten)
11 GANZ NAH — Ole Magers
zum gleichnamigen Text von Julia Sluiter
Welchen Weg im Leben gehen wir, was nehmen wir mit und was bleibt von uns? Als Grundidee dieses Stückes steht die zentrale Aussage des Textes “Gott ist schon da” die ganze Zeit im Raum. Dieser Satz wurde zu einem eigenständigen Motiv, das sich durch das ganze Werk zieht und die Allgegenwärtigkeit Gottes auch musikalisch darstellen soll. Insgesamt möchte ich mit den harmonischen Farben auf der Orgel einen klanglichen Raum für Sopran und Bariton eröffnen. Mithilfe von kleineren, kontrapunktischen, motivischen Spielereien können sie ihn durchschreiten und den Zuhörer dabei am Text und dessen inhaltlichen Fragen entlangführen. Inspiriert ist das musikalische Gewand durch Kanonstrukturen der Renaissance und Klangfarben Arvo Pärts. So wird ein weiter Bogen durch die Zeit gespannt, der über sich hinaus weist auf die Ewigkeit Gottes.
Komposition: Ole Magers (Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover)
Sopran: Celina Sophie Ohlhof / Bariton: Frederik Schuritz / Orgel: Ole Magers
12 FUCHS UND HASE — Benjamin Gruchow, Danny Sebastian Neumann
zum gleichnamigen Text von Linda Schmols
In der vorliegenden Improvisation zum Text “Fuchs und Hase” ist ein Duett zwischen Orgel und perkussiv-rhythmischen Klängen entstanden. Um die verschiedenen Gedanken und Bilder des Textes abzubilden, reichte der reine Orgelklang nicht aus. Durch die Ergänzung mit Perkussion- und Rhythmusinstrumenten, wie z.B. Chimes, Becken, Snaredrum, Cajon oder Triangel war es möglich, die Szenen noch augenscheinlicher darzustellen. Im Gestaltungsprozess entwickelten sich Melodien von der Orgel untermalt mit perkussiven Elementen oder es entstanden rhythmisch stark akzentuierte Stücke, bei dem das Schlagwerk eine gute Ergänzung zur Orgel darstellt. Ein Crescendo an der Orgel klingt noch prachtvoller, wenn das Becken dazu gewirbelt wird und auch ein “Guten Morgen Swing” in der Kombination Orgel plus Drums klingt grooviger als ohne.
Improvisation: Benjamin Gruchow — Orgel, Danny Sebastian Neumann — Perkussion (Hochschule für Kirchenmusik Herford-Witten)